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Artikelserie Nachwuchsprojekte:
Teil 1: Futsal Academy Vienna mit Futsal-Teamchef Patrik Babric
Teil 2: Panthera Graz Futsal Akademie
Teil 3: Young Boys Futsal in Wien
Teil 4: LPSV Kärnten Futsal
Hier nochmals der Gesamtartikel von SJH:
Wien-Ottakring
Sonntag, 14 Uhr in einer Sporthalle in der Koppgasse im 16. Wiener Gemeindebezirk. Coach Michael wirft einen Ball in die Mitte des Geschehens, sofort stürzen sich die anwesenden Kids mit Feuereifer auf das Spielgerät. Ein, zwei 10jährige, die heute zum ersten Mal beim Training dabei sind, schauen noch etwas verdutzt, können sich aber nicht lange der Magie des Futsal-Balles entziehen, und nehmen alsbald am Spiel teil. Es gilt den 4er-Ball in eins der beiden Tore auf der gegenüberliegenden Seite zu bugsieren.
„Diese Spielform nennt sich Funiño, die wenden wir in der Altersklasse der 10- bis 12jährigen
eigentlich ständig an. Wie auch andere Spielformen. Bei uns wird im Training zum größten Teil
gespielt. Futsalspezifische, analytische Trainingsübungen finden nur zwischen den Matches Platz!“, klärt Patrik Barbic auf, seines Zeichens österreichischer Futsal-Teamchef und Mitbegründer der Futsal Academy Vienna.
„Als ich noch Spieler bei Stella Rossa war, haben wir dort damit begonnen, auch mit Kindern Futsal zu trainieren. Aus den Stella Rossa Kids wurden schließlich die Stella Rossa Juniors, die nun größtenteils im Kader der ersten Mannschaft aufscheinen und es teilweise bis ins Nationalteam geschafft haben“, führt der österreichische Futsalpionier nicht ohne Stolz aus.
Da der Bedarf an weiterem Futsalnachwuchs gegeben schien, und sich viele Wiener
Konkurrenzvereine zierten, eigene Nachwuchsspieler an die Stella Rossa Kids zu vermitteln, beschloss Patrik die Gründung einer Kaderschmiede, die bewusst darauf abzielt, alle Futsal-Vereine in Österreich mit potentiellen Bundesligaspielern zu versorgen. In Zusammenarbeit mit zahlreichen Wiener Fußballvereinen wird den Kindern und Jugendlichen in bislang zwei Altersklassen die Möglichkeit geboten, ganzjährig wöchentlich eine Zusatzeinheit im Futsal-Sport zu absolvieren.
„Ich sehe den Futsal ganz klar nicht als Konkurrent, sondern als wunderbare Ergänzung zum
Fußball!“, betont Barbic, der als Sportwissenschaftler und Fußballtrainer zudem für die AKA St.Pölten tätig ist. Deshalb fällt es ihm auch leicht, etwaige Zweifel aus der Fußballtrainerriege zu entkräften, so wie das ewige Thema Belastungssteuerung: „Wir sprechen hier von 10- bis 14jährigen Spielern. Die sollen so viele Möglichkeiten bekommen zu spielen und Erfahrungen zu sammeln wie möglich.
Viele Vereine im Ausland haben den Futsal fest in ihre Trainingssteuerung integriert und ihn als
wertvolle Ressource anerkannt.“
So erzählt der Ballsportexperte von einem deutschen Fußball-Trainerkollegen, der bei Hajduk Split zunächst ganz verwundert darüber war, dass einige seiner Spieler vor dem offiziellen Training bereits ein paar Stunden Futsal in den Beinen hatten. Anstatt dies zu kritisieren, integrierte er es einfach in seinen Trainingsplan, schließlich war er froh über den Umstand, dass seine Spieler im freien Spiel die Gelegenheit bekamen, ihre Kreativität und Spielintelligenz zu fördern.
Auch andere Fußballvereine folgen inzwischen dieser Idee. So hat Juventus Turin erst 2020
verkündet, nunmehr verstärkt im Fußballnachwuchs Futsalelemente zu integrieren. Der FC Barcelona gründete 2019 eine eigene „La Masia“ für herausragende Futsal-Talente. Grenznahe Beispiele einer gelingenden Fußball-Futsal-Symbiose sind die Eidgenossen von Young Boys Bern, die seit einigen Jahren im Winter ihr Nachwuchstraining zum Teil in die Hände des Futsal-Vereins FC Minerva legen, oder der SSV Jahn Regensburg aus Deutschland, die in drei Altersklassen ganzjährig sowohl Fußball als auch Futsal trainieren.
Graz-Innenstadt
Ortswechsel in die Steiermark. Fünfzehn Jungkicker haben sich zu bestem Herbstwetter auf einem Kunstrasenplatz mitten im Zentrum von Graz eingefunden, um ein Fußballtraining bei Panthera zu absolvieren. Dies ist insofern bemerkenswert, da der Verein unter „Panthera Graz Futsal Akademie“ firmiert und sich eher dem Spiel mit dem 4er-Ball verschrieben zu haben scheint. „Unser Motto lautet schlicht und einfach: zurück zum Ursprung, wo das Kicken und die Geschichte von vielen originären Futsal-Spielern wie Messi, Ronaldo, Neymar und Salah begonnen hat. Wir wollen die Kinder direkt dort abholen wo sie wohnen, wo sie spielen und wo sie sich wohlfühlen“, gibt Benjamin Reinprecht zu Protokoll. Der Soziologe und Nachwuchsfußballtrainer ist seit September 2020 Jugendkoordinator der frisch gegründeten Nachwuchsabteilung des Grazer Futsal Clubs. Deshalb trainiere man Fußball und Futsal parallel, sowohl auf Kunstrasen, auf dem klassischen Käfigplatz als auch in der Halle.
Ähnlich der Futsal Academy Vienna spricht die Trainingsphilosophie von Panthera besonders den kindlichen Spieltrieb an: „Die unterschiedlichen Bewegungs- und Ballerfahrungen ergänzen sich wunderbar, außerdem steht bei uns ganz klar das freie Spiel im Fokus. Kleinere, altersadäquate Spielformen und ein freudiges und motivierendes Training sollen die Kids beim Fußball und/oder Futsal halten.“
Beide Projekte eint ebenso, dass sie mit Start sofort einen großen Zulauf begeisterter Kinder
erlebten. Während man in Wien mit der Eröffnung neuer Standorte und einem eigenen Team in der zweiten österreichischen Futsal-Liga plant, sollen bei Panthera Graz neue Altersklassen für einen weiteren Zuwachs sorgen. Eine U17 steht schon in den Startlöchern.
Als großes Problem stellt sich die Tatsache heraus, dass es für Kinder- und Jugendmannschaften keinen offiziellen Spielbetrieb im Futsal gibt. Diesem Problem wollte sich der Verein bereits 2020 proaktiv entgegenstemmen. So erzählt Reinprecht: „Wir hätten diesen Winter die erste Kinderliga im Futsal in Österreich veranstaltet. In 3 Altersklassen hätten sich Mannschaften an einem Standort über mehrere Spieltage in offiziellen Futsalmatches gemessen. Leider müssen wir den Start dieser Kinderliga aufgrund der aktuellen Covid-19-Situation um ein Jahr verschieben.“
Plattformen
Ähnlich gingen anno dazumal auch die Verantwortlichen von Stella Rossa auf dieses Problem zu. Der österreichische Mr. Futsal Aleks Ristovski startete 2010 eine eigene Turnierreihe: „Mit der Installierung der Stella Rossa Kids war es naheliegend, den Kindern über Turniere auch eine Plattform zum Spielen zu bieten.“
Er sieht die größte Hürde im Aufbau eigener Nachwuchsstrukturen im Futsal ebenfalls im Fehlen
eigener Nachwuchsbewerbe: „Solange wir nur von November bis Februar Futsal spielen, wird es aber auch schwer, für die Kinder und Jugendlichen attraktive Angebote zu schaffen. Ich kämpfe bereits seit Jahren um eine Verlängerung der Saison. In anderen Ländern hat sich der Futsal auch emanzipiert, und es gibt daher genügend Angebote für den Nachwuchs.“
Nach dem Wegfall der Stella Rossa Kids möchte der Wiener Traditionsverein selbst wieder
Nachwuchsstrukturen schaffen, man befindet sich zurzeit in Gesprächen mit potentiellen Partnern.
Ein Gesprächspartner diesbezüglich ist Thomas Friz. Der Exil-Kärntner hat in Wien eine zweite Heimat gefunden und ebenfalls die Liebe zum Futsal entdeckt: „Ein Freund von mir hat ein Fußball-Projekt namens FBG Balkan Wien angeleitet. Ich habe ihn dabei unterstützt, vor allem wenn wir bei Turnieren teilgenommen haben. So wie damals beim Stella Rossa Kids Cup. Dort habe ich die Vorzüge vom Futsal kennen und schätzen gelernt. In weiterer Folge habe ich das Projekt irgendwann übernommen und in Young Boys Futsal umgetauft.“
Dem Jugendkoordinator des 1.Simmeringer SC war aufgefallen, dass es vielen Wiener
Fußballvereinen an Möglichkeiten fehlte, auch im Winter Training oder Spiele anzubieten, die
Vereine aber gleichzeitig trotzdem gewillt waren, mehr Angebote zu schaffen bzw. anzunehmen.
Deshalb ersann er das Projekt Young Boys Futsal. Ähnlich wie bei der Vienna Futsal Academy setzen sich die Teams der Young Boys aus Spielern mehrerer unterschiedlicher Vereine zusammen, allerdings wird nicht trainiert, sondern nur bei Turnieren gespielt.
„Futsal bietet den Kids die Möglichkeit einfach drauf loszuspielen, sich Dinge zu trauen, ohne dem Druck eines fordernden Trainers ausgesetzt zu sein. Am Parkett können sie sich frei entfalten und Tricks ausprobieren, für die sie im Stammverein vielleicht kritisiert würden“, gibt Friz die Intention seines Projekts zum Besten.
Auch er plant in weiterer Folge den Einstieg in die 2. Österreichische Futsal-Liga, um den Kindern auch im Jugendalter eine Möglichkeit des Spielens anzubieten.
Veränderung Futsal-Teamchef Patrik Barbic sieht den Futsal in Österreich auf dem richtigen Weg: „In den letzten Jahren hat sich bereits vieles zum Positiven verändert. Es gibt eine Nationalmannschaft, einen Ligasponsor, dazu werden die Spiele bei laola1 übertragen“.
Veränderungen, die den Kinder- und Nachwuchsbereich nur indirekt fördern, aber immerhin
Startschuss sein könnten, auch bei den Vereinen der Liga ein Umdenken in Sachen Kinder- und
Nachwuchsförderung einzuleiten. So berichtet der Futsal-Teamchef von einem erweiterten
Wissensaustausch mit Futsal Klagenfurt.
Auch der Villacher Verein LPSV Kärnten plant, im neuen Jahr einen Nachwuchszweig zu eröffnen. Stephan Brozek, Obmann des Vereins, schlüsselt die Idee dahinter auf: „Wir wollen eine Jugendmannschaft direkt unter der Kampfmannschaft installieren, um in den nächsten Jahren direkt von dort Spieler für die Erste Mannschaft zu akquirieren. Dazu haben wir bereits mit unterschiedlichen Fußballvereinen aus der Umgebung Kontakt aufgenommen, um im Winter ein Futsal-Training für talentierte Jugendliche anbieten zu können.“ Der Kärntner Verband wurde bereits kontaktiert, denn Spielpraxis sammeln sollen die 15- bis 17-jährigen in einer eigenen Kärntner Futsal-Liga.
Neben den bestehenden Projekten der Futsal Academy Vienna, der Panthera Graz Futsal Akademie und den Young Boys Futsal also ein weiterer Zugang, die Situation rund um die Nachwuchsfutsaler zu verbessern bzw. auch im Sinne des eigenen Vereins zu nutzen.
Konsens finden alle im Bestreben, Kinder- und Jugendliche für eine Sportart zu begeistern, die in
anderen Nationen längst ihren festen Platz gefunden hat, nicht zuletzt, weil es auch auf Verbands- und Vereinsebene festere Strukturen gibt als hierzulande.
Schlusspfiff
Nach 60 Minuten pfeift Trainer Michael die letzte Partie des heutigen Academy-Trainings ab. Man merkt den Kindern an, dass sie mit einem so abrupten Ende nicht gerechnet haben. 60 Minuten können sich manchmal anfühlen wie ein Wimpernschlag. Auch die beiden Schnupperkinder hätten gerne weitergemacht, aber sie werden bestimmt bei der nächsten Trainingseinheit wieder dabei sein. „Schad, dass das nur einmal die Woche stattfindet“, hört man eines der Kinder sagen, als diese in die Umkleide verschwinden.
„Schön, dass es überhaupt stattfindet!“, findet auch Futsal-Blog.at und wünscht sich weitere Projekte in naher Zukunft.
Beitrag von SJH